Erasmus+ Reise nach Norwegen - Die Entdeckung der Langsamkeit

“Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.“ Das wusste schon ein ziemlich gebildeter, reisebegeisterer und nicht ganz unbekannter Schriftsteller aus Weimar. Sein Name war Goethe. „Genau so ist es, lieber Johann Wolfgang“, würden wir ihm gerne zurufen. Wir, das sind vier Schülerinnen aus der Jahrgangsstufe1 des Wirtschaftsgymnasiums der ASS und dank unserer Abitur-Lektüre „Faust 1“ allesamt mehr oder minder treue Goethe-Leserinnen. Als wir hörten, dass es für Schulen nach langer Corona-Pause endlich wieder möglich sei, ins Ausland zu reisen, war unsere Vorfreude wahrscheinlich noch ein wenig größer als die Freude Goethes vor seiner berühmten Italien-Reise. Und wie glücklich waren wir erst, als wir von unserer Lehrerin und Erasmus Plus-Projektkoordinatorin Frau Hall erfuhren, dass wir vier nach Sogndal in Norwegen dürfen. Dort fand das Erasmus+ Projekttreffen „Democracy matters“ – Human Rights & Nature statt, das von der Europäischen Union gefördert wird.

Und natürlich ging es auch dort um Bildung. Genauer gesagt war das Thema des Treffens der Erhalt einer lebenswerten Umwelt. Und da schien es unseren Lehrern nicht so ganz zu passen, die Reise nach Sogndal mit drei oder vier Flügen zu bestreiten, die pro Kopf schon mehr als das jährliche klimaverträgliche Pro-Kopf Jahresbudget an CO2 Emissionen von ca. 1500 kg CO2 verursachen würden. Alternativen mussten her. Es wurde eine „low-carbon“ Reise mit Bahn, Bus, Fähre und Mietwagen geplant, die laut unseren Berechnungen nur mit knapp 370 kg CO2 Emissionen zu Buche schlug.

Als uns Teilnehmern mitgeteilt wurde, dass wir nicht fliegen, sondern nahezu ausschließlich mit der Bahn und dem Zug reisen, waren wir sehr überrascht und bezweifelten ehrlich gesagt, dass alles so reibungslos funktioniere. Schließlich ist die Deutsche Bahn für vieles bekannt, aber nicht gerade für ihre Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Nichtsdestoweniger freuten wir uns riesig auf die bevorstehende Reise.

Unsere Reise sollte allerdings wie befürchtet losgehen. Denn als wir alle am späten Abend in Stuttgart auf unseren Zug nach Frankfurt warteten, kam die Durchsage, dass ausgerechnet dieser Zug 60 Minuten Verspätung habe. „Verdammt!“ So schnell wir konnten, rannten wir mitsamt unserem Gepäck zu einem anderen Zug, mit dem wir aber unseren Anschluss verpasst hätten. Aber diesmal überraschte uns die Deutsche Bahn. Denn der ICE in Frankfurt wartet extra auf uns und so kamen wir pünktlich morgens um 7 Uhr in Hamburg an. Wir schnupperten Hamburger Luft, spazierten durch die schöne, noch fast menschenleere Stadt und genossen unser Frühstück. Einig waren wir uns alle darin, diese schöne Stadt nochmal besuchen zu wollen. Doch schon ging unsere Reise weiter. Natürlich mit dem Zug, aber nun über Kopenhagen nach Göteborg in Schweden. Dort angekommen, steckte uns allen zwar die lange Tour in den Knochen, aber wir wollten es uns trotzdem nicht nehmen lassen, auch etwas von dieser Stadt zu sehen. Also erkundeten wir Göteborg bei Nacht, bevor wir todmüde in die Betten eines wunderschönen Hostels fielen.

Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Bus weiter über Oslo. Wir hatten vier Stunden Zeit, die norwegische Hauptstadt auf eigene Faust kennenzulernen, bevor es auf zur letzten Etappe mit dem Bus nach Sogndal ging. Kurz vor dem Ziel stieg die Aufregung nochmal, da wir gleich auf die Schüler der anderen am Erasmus-Projekt teilnehmenden Länder treffen würden, mit denen wir bisher nur über das Internet Kontakt gehabt hatten. Das echte Kennenlernen ohne Bildschirm zwischen uns gestaltete sich euphorisch und wir verstanden uns alle auf Anhieb sehr gut. Endlich angekommen am wunderschönen Sognefjord schliefen wir so gut, wie schon lange nicht mehr.

Das Erasmus+ Projekttreffen in Sogndal wurde sehr abwechslungsreich gestaltet. Das Programm war eine Mischung aus sozialen Aktivitäten zum Kennenlernen und Projekten zu den Themen Demokratie, Menschenrechte, nachhaltige Energieversorgung und Erhalt einer intakten Umwelt. Wir arbeiteten in bunt gemischten Gruppen mit Jugendlichen aus Italien, Griechenland, Nordirland, der Tschechischen Republik und natürlich Norwegen.  Es war für uns sehr aufregend, unsere Arbeitsergebnisse in einem großen, universitätsähnlichen Hörsaal zu präsentieren. Dies toppte nur der Ausflug in das Gletscher Museum. Geplant war eigentlich auch auf den Gletscher zu steigen, was leider aber nicht möglich war, da der Schnee zu hoch war. Trotzdem war der Ausflug ein Highlight, weil es uns als Erasmus Gruppe nochmal näher zusammenbrachte, da wir alle gemeinsam Schneeballschlachten veranstalteten, tolle Bilder vor spektakulärer Naturkulisse machten und gemeinsam die Fragen der Museums-Rallye lösten. Auch die Schule dort hat einiges zu bieten: Es gibt eine Indoor Soccer Hall, ein schuleigenes Schwimmbecken, hochmoderne und gut ausgestattete Klassenräume und vieles mehr, was wir in diesem Umfang aus Deutschland nicht kannten.

Außerhalb der Schule waren für uns die gemeinsamen Nachmittage und Abende mit den anderen Jugendlichen Highlights. Hierbei fungierte die Sogndal Lodge, in der einige Schüler untergebracht waren, als zentraler Treffpunkt. Wir gingen gemeinsam in die Mall, spielten Karten oder unterhielten uns einfach nur. Diese Nachmittage und der damit verbundene Kontakt zu anderen Leuten bzw. Kulturen war für uns alle das Beste an dieser Reise.

Viel zu schnell ging die gemeinsame Zeit zu Ende - eine Woche war unserer Meinung nach einfach zu kurz, weil wir uns gerade erst so richtig mit den anderen anfreundeten und dann schon wieder abreisen mussten. Es wurden fleißig Kontaktdaten ausgetauscht, erste Wiedersehenstreffen geplant und es floss auch die ein oder andere Träne zum Abschied.

Die Heimreise traten wir mit dem Mietwagen an, um pünktlich unsere Fähre zu erreichen. Wir hatten sogar noch Zeit für einen kurzen Zwischenstopp bei der berühmten Stabkirche von Borgund. Unterwegs gerieten wir in einen kleinen Schneesturm, welcher für etwas Action sorgte. Schließlich kamen wir alle wohlbehalten und rechtzeitig in Oslo an, wo unsere Fähre in Richtung Kiel ablegte. Wir waren sehr beeindruckt von der Größe und Ausstattung, allerdings war auch an Bord alles – wie überall in Norwegen - sehr teuer. Diese norwegischen Preise sind so ziemlich das Einzige, was wir nicht vermissen werden :). Wir verbrachten viel Zeit auf dem Deck der Fähre und genossen den beeindruckenden Sonnenuntergang auf See. Nach einer ruhigen Nacht auf dem Meer legten wir pünktlich um 10 Uhr morgens in Kiel an. Der Rest der Reise bewältigen wir mit dem Zug und dieses Mal ging alles glatt und wir kamen wie geplant zuhause an.

Zusammenfassend sind wir uns alle einig darin, dass wir unglaublich glücklich sind die Chance bekommen zu haben, diese Reise mitzumachen und Teil dieses Projektes zu sein. Wir haben in kürzester Zeit Freundschaften geschlossen und eine unglaubliche Zeit erlebt. Und auch diese langsamere Art zu Reisen hat uns unheimlich viele Eindrücke verschafft, die wir nicht missen wollten. Vielleicht sind wir nun auch gebildeter und gescheiter, wie es uns Johann Wolfgang von Goethe prophezeit hat. Danke, dass Erasmus+ uns all dies ermöglicht hat. Es war eine großartige Zeit!

Laura Herb, Aryana Formuli, Jennifer Gneiting und Klarisa Rajta